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Dem typischen Chromglanz der Metallbeschläge und dem harten, fluoreszierenden
Neonlicht für die Beleuchtung verdankt die zweite Blütezeit
der Jukebox ihren
Namen "Silver Age".
Obligatorisch war auch die volle Sichtbarkeit der immer leistungsfähigeren
Wechselmechanismen. Das neue Querformat der Boxen war keine stilistische
Spielerei, vielmehr bestand der klassische Zusammenhang zwischen Form
und Funktion. Die immer größeren Plattenmagazine - gleich
ob als rotierende Karussells oder in linearer Anordnung - benötigten
eine Menge Platz.
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Seeburg brachte mit seinem Modell M 100 A den entscheidenden
Innovationsschub und bahnte den Weg aus der durch Mentalitätswandel
und strukturell bedingten Wirtschaftsproblemen entstandenen, tiefgreifenden
Branchenkrise. Traditionshersteller wie die Firma Mills mußten
1948 Konkurs anmelden, kleine Marken wie Aireon, Filben, Gabel und Packert
verschwanden vom Markt, Seeburg und Wurlitzer hielten sich mehr schlecht
als recht über Wasser. So gilt die M 100 A zu Recht als Meilenstein
in der Geschichte der Jukebox und als Beginn der zweiten Blütezeit.
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Seeburg, Modell
M 100 A
1949
J.P. Seeburg Cooporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 10/50 Pfennig 1 DM
137 x 99 x 73 cm |
Die von Nils Miller entworfene M 100 A bot mit ihrer
damals sensationellen Selectomatic von Andrews erstmals eine Auswahl
von 100 Titeln auf 50 beidseitig bespielbaren 78er Platten.
Weniger innovativ war das sachliche, kühle Design, was sich an
der damals aktuellen "Skandinavischen Moderne" orientiert.
Ohne die Stilelemente des Art Déco und des Streamline, geradlinig
und mit der Betonung der hölzernen Sachlichkeit, war Nils Miller
zumindest ansatzweise auf die stilistische Entwicklungsstufe der Jahre
1936/37 zurückgekehrt. Die M100 A wirkte zwar nicht wie ein Möbelstück,
hatte aber eher die Ausstrahlung einer großen Büromaschine
als der einer Jukebox.
Dieser kleine stilistische Fehltritt wurde von Seeburg schnell korrigiert.
Das Nachfolgemodell M 100 C von 1952 hatte wieder links und rechts vom
Lautsprecher zwei Lichtpilaster mit rotierenden Farbzylindern. Diese
stilistisch revidierte Jukebox verkaufte sich in 38 000 Exemplaren und
trug wesentlich zur marktbeherrschenden Stellung Seeburgs bei.
Wurlitzer, der einst im Design so erfolgreiche Hersteller, hatte zuerst
große Schwierigkeiten, die durch den Weggang des genialen Paul
Fuller entstandene Lücke zu schließen. Dabei hatte Fuller,
seiner Zeit immer ein wenig voraus, mit dem Modell
1100 die richtungsweisenden Stilelemente schon vorgegeben. Sichtkuppel,
glänzend Chromteile, aus der Automobil- und Flugzeugbranche entlehnte
Elemente wie Heckflossen, Chromleisten, Kühlergrill, verchromte
Stummelleuchten.
Panoramascheiben, Grillgitter, wuchtige
Stoßstangen, Heckflossen, Stummelleuchten |
Joseph Clement, ehemaliger Kollege und Bewunderer von
Paul Fuller, arbeitete von 1946 bis 1964 bei Wurlitzer. Er konnte sich
nur langsam vom Vorkriegsstil seines Lehrmeisters lösen. So hatte
das Modell 1400 von 1951 auch keine klare Linie, sondern wies eine Mixtur
von verschiedenen Stilelementen auf. Die zeitgemäße Sichtkuppel
im Bomberstil, eine, vor einer romantisch kitschigen Kulisse mit Palmenstrand
und untergehender Sonne montierte, nicht gerade aktuellen Simplex-Mechanik,
Art Déco Grillgitter über dem barock geschwungenen Sockel
aus dunklem Holz.
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Wurlitzer, Modell 1400
1951
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
145 x 87 x 70 cm |
Aller (Neu)Anfang ist bekanntlich schwer, und nach Paul
Fuller einen neuen, eigenständigen Stil zu entwickeln war sicherlich
eine mehr als undankbare und schwierige Aufgabe.
Das Modell 1550 A wies schon eine bedeutend schlüssigere Formgebung
auf.
Viel Chrom, eine von den Stilelementen des Art Déco und Barock
"entrümpelte" Version des Vorgängermodells 1500,
mit den Mitte der 1950er Jahre in der Automobilindustrie häufig
vorkommenden, an gefärbtes Speiseeis erinnernden Farbtöne
wie rosé, hellgrün, himmelblau oder türkis.
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Wurlitzer, Modell 1500 A
1953
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
144 x 93 x 72 cm |
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Jetzt war das Design zwar zeitgemäß, die Technik jedoch machte
das Modell überbreit, mechanisch unzuverlässig und wartungsintensiv.
Wurlitzer versuchte, den technischen Vorsprung der Seeburg Modelle durch
den doppelten Einbau der veralteten Simplex-Mechanik einzuholen. Jeder
Stapel war um 2 Schwenkrahmen aufgestockt worden und fasste nun 26 beidseitig
abspielbare Schallplatten, also 52 Titel. Die Gesamtkapazität lag
mit 104 Titeln über der von Seeburg gesetzten 100er Marke.
Stimmiges Design, kombiniert mit zeitgemäßer Technik zeichnete
das Modell1700 aus.
Es war auch gleichzeitig ein Wendepunkt für den einstigen Marktführers
Wurlitzer, denn er konnte seinen Ruf als ernstzunehmenden Mitbewerber
wieder herstellen.
Die Box verfügte über ein völlig neu konstruiertes Plattenkarusell
mit 52 beidseitig abspielbaren Platten, war dabei wohlproportioniert
und stimmig im Design.
Im selben Jahr brachte Seeburg das Modell HF 100 R auf den Markt.
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Wurlitzer, Modell 1700
1954
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 10/50 Pfennig 1 DM
145 x 80 x 72 cm |
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Seeburg, Modell HF 100 R
1954
J.P. Seeburg Cooporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 10/50 Pfennig 1 DM
149 x 91 x 69 cm |
Der Form wegen "Bandshell" (Konzertmuschel)
genannt, war das Modell die vielleicht schönste Jukebox der Firma
Seeburg überhaupt. Schwungvolle Linienführung, die die Formensprache
der modernen Nachkriegsarchitektur aufnahm und den oberen Teil der Gehäuserückwand
in einem leichten Bogen nach vorn schwingen und so zu einem Teil des
Haubendachs werden ließ. Neu war auch die Gestaltung des unteren
Boxenteils. 3 keilförmige, mit Chrom abschließende Strukturgläser,
dazwischen paarweise angeordnete Chromleisten und fluoreszierendes Licht
als Grillbeleuchtung rundeten das Design ab. Technisch ausgestattet
war das Modell mit der bewährten Selectomatic Technik und einem
hochwertigem Klangsystem mit einem 25-Watt-Verstärker und 5 Lautsprechern.
AMI verfolgte im Gegensatz zu manchen Konkurrenten stets seinen eigenen
Stil.
Das 1954 herausgebrachte Modell F120 bestach nicht gerade durch Eleganz,
wirkte etwas kantig und kompakt, verfügte aber über eine einfache
und solide Technik, was das Modell zu einem Exportschlager werden ließ.
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AMI, Modell F 120
1954
Automatic Music Instrument
Company,
Grand Rapids, Michigan (USA)
Münzung: 10/50 Pfennig 1 DM
156 x 93 x 68 cm |
Pilaster, Glaskuppeln, Heckflossen oder ähnliche Spielereien sucht
man bei dieser Box vergebens. Das kantige Aussehen erhielt die Box auch
durch die im oberen Teil angeordnete Anzeige der 120 Titel. Erst darunter
konnte man durch ein chromgefaßtes, rechteckiges Fenster auf den
Plattenwechsler blicken.
Die Rock-Ola Modelle 1468/Tempo 120 und das Modell 1493/Princess wiesen
ebenfalls diese Anordnung auf.
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Rock-Ola, Modell 1468/Tempo 120
1959
Rock-Ola Manufacturing Corporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 10/50 Pfennig 1 DM
153 x 81 x 71 cm |
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Rock-Ola, Modell 1493/Princess
1961
Rock-Ola Manufacturing Corporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 10/50 Pfennig 1 DM
122 x 76 x 54 cm |
Der Anzeigenteil wirkt aber durch ein runde oder abgeschrägte
Form nicht so kompakt wie bei dem Modell von AMI. Die Sichtfenster waren
abgerundet oder hatten eine wie bei der "Tempo 120" zur Seite
abgerundete Panoramascheibe. Überhaupt hatte Rock-Ola bei diesem
Modell alle Register des Straßenkreuzerdesigns gezogen: Chromleisten,
Heckflossen und ein V-Emblem.
Neben den stilistischen Merkmalen der Automobilbranche wurde auch die
immer populärer werdende Raumfahrt eine interessante Inspirationsquelle.
Ein Highlight ist die von Jack R. Mell entworfenen AMI "Continental"
aus dem Jahre 1961.
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AMI, Continental
1961
Automatic Music Instrument Company,
Grand Rapids, Michigan (USA)
Münzung: 10/50 Pfennig 1 DM
164 x 75 x 75 cm |
Der Wechselmechanismus lag unter einer gläsernen
Halbkugel mit Chromabschluß, darüber schwebte die einem Radarschirm
ähnelnde konkav gebogenen Anzeigentafel.
Neben Elementen aus Technik und Raumfahrt gesellten sich gegen Ende
des "Silver Age" Symbole wie Krönchen und Wappen, Namen
wie "Regis", "Empress", "Princess" dazu,
eine Auswirkung der damals beliebten Hofberichterstattung durch die
Regenbogenpresse. AMI kam 1971 mit Modellen wie "Beauty" und
"Playgirl" auf den Markt, und damit war dann auch der geschmackliche
Tiefpunkt des Musikboxendesigns erreicht.
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