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Was hat Christo mit Ostwestfalen zu tun? Es ist nicht
bekannt, dass in dieser ländlichen Gegend schon einmal landwirtschaftliche
Nutzfahrzeuge oder Gebäude verpackt wurden. Die Verbindung liegt
in Emsdetten bei der Firma Schilgen. Hier ist Christo guter Kunde.
Die J.Schilgen GmbH & Co. ist spezialisiert auf technische Gewebe
und hat sich in den letzten 130 Jahren vom Handwerksbetrieb zu einem
Industrieunternehmen entwickelt. Landwirtschaft und Energieproduzenten,
die Automobil- und Baubranche lassen hier, die für ihre speziellen
Anforderungen benötigten Gewebe, entwickeln und herstellen.
Was vom 12. bis 23. Februar 2005 in New York die Wege des Central Park
schmückte, wurde hier produziert. 104.001 m2 recyclebares, safrangelbes
Vinyl in einer Gesamtlänge von 96,5 km. "The Gates",
das jüngste Projekt von Christo bestand aus insgesamt 7.500 Toren,
mit einer Höhe von 4,87m. Die Breite variierte entsprechend den
unterschiedlichen Maßen der Parkwege im Central Park zwischen
1,67 m und 5,48 m. Die frei hängenden Gewebebahnen schwebten vom
horizontalen Rohr des Tores herab bis auf eine ungefähre Höhe
von 2,13 m über den Boden.

Fast 26 Jahre mussten vergehen, um "The Gates"
zu verwirklichen. Im Januar 2003 gab der Bürgermeister von New
York bekannt, dass die Stadt Christo und Jeanne-Claude die Genehmigung
für ihr temporäres Kunstwerk erteilt hat. Erst dann begann
die Herstellung aller Materialien. Die Kosten für das Projekt werden
auf 21 Millionen US-Dollar geschätzt, die vollständig von
Christo und seiner Frau durch den Erlös aus dem Verkauf von Studien,
vorbereitenden Zeichnungen und Collagen sowie Modellen, früheren
Werken aus den Fünfziger- und Sechzigerjahren und Originallithographien
über andere Werke bezahlt werden. Beide akzeptieren keine Sponsorengelder
aus öffentlicher oder privater Hand, um die Freiheit in der Umsetzung
ihrer Ideen nicht zu verlieren. Sie arbeiten mit freiwilligen Helfern
und führen auch selbst ein bescheidenes Leben. Christo arbeitet
bis zu 17 Stunden am Tag.
Schon seit Jahrhunderten haben Stoffe und Gewebe Künstler inspiriert.
Struktur und Fall des Materials, Faltenwürfe, Drapierungen und
Plissees sind seit jeher Bestandteil von Gemälden, Fresken, Reliefs
und Skulpturen. Immer wieder trifft man auf den Vergleich der zweiten
Haut als Metapher für Verletzbarkeit und Schutz. Stoffe verhüllen
und verstecken, bergen ein Geheimnis, gerade dann, wenn sich der verborgene
Inhalt noch erahnt lässt.
Christo war nicht der Erste, der profane Gegenstände
verpackte und als Gesamtkunstwerk darstellte. Der Surrealist, Maler,
Fotograf und Objektkünstler Man Ray verpackte 1920 die Nähmaschine
seiner Zimmerwirtin. Das Kunstwerk, dessen
Namen „Das Rätsel des Isidore Ducasse“ eher einen Krimi
assoziieren lässt, war allerdings nicht das Objekt, sondern das
Foto davon. Christo soll dieses Foto nicht gekannt haben, als er 1958
als Mitglied der französische Künstlervereinigung "Nouveau
Réalisme" in Paris mit den ersten Verhüllungen leerer
Farbdosen begann. Er verschnürte sie in harzgetränkte Leinwand,
färbte sie mit Leim, Sand und Autolack und zeigte damit, dass Verhüllungen
auch Isolierung, Traurigkeit und Armut widerspiegeln können. Durch
seine Flucht aus Bulgarien staatenlos, führte er ein unruhiges
Leben in ständiger finanzieller Not, verdiente sich etwas Geld
durch Portraitmalerei, die er als Prostitution bezeichnete. 1964 ziehen
Christo und Jeanne Claude, die er 1958 durch eine Auftrag für ein
Portrait kennen gelernt und 1962 geheiratet hatte, nach New York, wo
beide bis heute leben und arbeiten. Trotz aller Widrigkeiten (Sprachbarrieren
und Schulden) blieb das Künstlerpaar seinen Ideen, Idealen und
Visionen treu. Die Projekte, mit denen Christo die "eigenwillige
Schönheit des Nichtdauerhaften" sucht, stellen das Bedürfnis
der Menschen nach Beständigkeit und die Erwartung, das Kunstwerken
für die Ewigkeit Bestand haben müssen, in Frage. Die geplante
Folge von Realisation und Erinnerung ist ein wesentlicher Bestandteil
der Arbeiten von Christo und Jeanne Claude. Sie spiegelt die temporäre
Qualität von Dingen, Ereignissen und Gefühlen wider, die wir
in unserem eigenen Leben schätzen, weil sie nicht ewig dauern,
oder deren Bedeutung einem erst bewusst wird, wenn sie verschwunden
sind.
 
"Over the River" heißt das sich in Planung befindende
nächste temporäre Großraumprojekt. Stoffpaneele, die
horizontal frei schwebend hoch über der Wasseroberfläche gespannt
werden, sollen der Form des Arkansas River in Colorado und der unterschiedlichen
Breite seines wechselnden Verlaufs folgen.
Aussagen über mögliche Daten für "Over the River"
können noch nicht gemacht werden. Die Genehmigungen für das
Projekt wurden noch nicht erteilt. Dieser Prozess kann viele Jahre dauern.
http://www.christojeanneclaude.net
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