Ein monumentaler Kegelturm am Steilufer der Weser erinnert
an eine Glashütte des
19. Jahrhunderts. Dieser Turm diente gleichzeitig als Kamin für
den Schmelzofen sowie
als Arbeitsraum für die Glasmacher.
Die Glashütte Gernheim war zeitweilig der mit Abstand
bedeutendste Industriebetrieb
in der Mindener Region, im heutigen Kreis Minden-Lübbecke. Um 1840
ernährte die
Glasfabrik bei Petershagen mehrere hundert Familien und exportierte
zwei Drittel ihrer
Produktion über den Bremer Hafen nach Nord- und Südamerika.
Die Produktpalette der
Fabrik war vielfältig und umfaßte neben Gebrauchsglas auch
kunstvoll verzierte Flaschen,
Trinkgläser und farbige "Überfangscheiben".
Die Glasproduktion fand in Gernheim bereits 1893 ihren
Abschluß. Mehr als 80 Jahre
später wurden die verbliebenen Gebäude als hochrangige technische
Kulturdenkmäler
wiederentdeckt und in das Westfälische Industriemuseum übernommen.
Es folgten
langwierige Restaurierungsarbeiten, um die historische Bausubstanz zu
erhalten und die
Baudenkmäler für die Öffentlichkeit zu erschließen.
Zur Museumsanlage gehört der Turm
mit seinen Nebengebäuden, drei Glasmacherwohnungen, die Verwalterei,
die Korb-
flechterei und das Herrenhaus. In allen Gebäuden werden die Stationen
der Glasher-
stellung gezeigt. Vorbereitung - Glasblasen - Veredelung - Verpackung
- Transport und
Handel.
Im Lagerschuppen hinter dem Glasturm informiert das Museum
zunächst über die
Vorbereitungsarbeiten der Glasproduktion, über die Herstellung
der Formen und
Schmelzgefäße ("Häfen") und das Mischen der
Gemenge.
Im Turm selbst folgen dann die zentralen Arbeitsschritte:
Das Gemenge wird in den Ofen
eingefüllt und schmilzt bei ca. 1400°-1600°. Die Glasmacher
blasen Hohlkörper aus der
Glasmasse, die noch im heißen Zustand zu Fensterscheiben weiterverarbeitet
werden
können. Die langsame Abkühlung der Produkte erfolgt in speziellen
Kühlöfen.
Damit man sich die Arbeitsprozesse besser vorstellen kann,
finden auf der Bohle
Schauproduktionen statt, und zahlreiche Infotafeln lassen erahnen, daß
die
frühindustriellen Arbeitsbedingungen hier kein Zuckerschlecken
waren. Große Hitze,
Kinderarbeit und schwefelhaltige Luft gehörten zum Arbeitsalltag.
Im linken Nebengebäude des Turms wird die Glasveredlung
durch Schliff, Gravur und
Bemalung gezeigt.
Überfangglas galt als Spezialität der Glashütte Gernheim.
Der besondere Reiz liegt in
der Kontrastwirkung zwischen dem leuchtenen Farbglas und den Mustern,
die durch die
Farbschichten bis zum "weißen", farblosen Glas geschliffen
wurden.
Zu den Themen Glasverpackung sowie Glastransport und Glashandel
befinden sich
Ausstellungseinheiten im Erdgeschoß des Korbflechtereigebäudes.
Im oberen Stock des Gebäudes ist alles voll Glas, und man weiß
nach dem Besuch dieser
Etage, daß dieser Werkstoff seit dem 19. Jahrhundert das Alltagsleben
aller Bevölke-
rungsschichten stark veränderte, die Ernährungs- und Trinkgewohnheiten,
die Gesundheits-
fürsorge und die pharmazeutische Versorgung.
Westfälisches Industriemuseum
Glashütte Gernheim
Gernheim 12
32469 Petershagen
Tel.: 057 07 / 93 11-0
Tel.: 057 07 / 93 11-11
Öffnungszeiten: Di-So, 10.00-18.00 Uhr
Einlaß bis 17.00 Uhr |