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Der
Beitrag der Kunsthalle Bielefeld zum Ernährungsjahr 2004. Von 30
Künstlern und Künstlerinnen wurden über siebzig Arbeiten
gezeigt, die sich alle mit Lebensmitteln und dem
Essen auseinandersetzten, gut und übersichtlich getrennt- im ersten
Stock die Europäer, im zweiten die Amerikaner. Letztere vertreten
durch Popart-Künstler wie Tom Wesselmann, Claes Oldenburg, Andy
Warhol oder James Rosenquist. Sie warten mit grellen Farben und großen
Formaten auf. Motive aus der Alltags-und Konsumwelt, ein Spiel mit dem
Bild des Essbaren. Suppendosen und Kaffeebüchsen, ein überdimensionales
Rosinenbrot. Ware wird Kunst, Kunst stellt Ware dar. Dahinter steckt
kein tieferer Sinn, keine Kritik am Fast Food, an Massenware und Austauchbarkeit,
sondern eher ein Spiel mit der Kunst und ihrer Welt.
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Alex Hay
Egg on Plate with Knife, Fork, and Spoon, 1964
Acrylfarbe, Schablone auf Leinen; Fiberglas, auf vier Tafeln
34 x 55 x 2,8 cm
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Ganz anders die Herangehensweise der Europäer. Nicht das Abbild des Essbaren war der Gegenstand, sondern das Essbare selbst. Dieter Roth's Schimmelbrote, Spörries Fallenbilder, Beuys vergammelnde Fischgräte hinter Glas mögen auf den ersten Blick nichts mit Kunst zu tuen zu haben.
Wird der Diju-Bär Kunst, wenn ihn die Motten und Larven zerfressen?
War der verschimmelte Abwasch in der WG-Küche vielleicht gar nicht
das Resultat von Faulheit, sondern ein großes Gesamtkunstwerk?
Angesichts der ausgestellten Gammel- und Abfallberge fühlt man sich ein wenig alleingelassen und allzu Voreilige werden sich angewidert abwenden, ohne den Sinn und Zweck der Exponate zu hinterfragen. Die Leiter der Kunsthalle geben zum Verständnis auch nur wenig Hilfestellung, man muß sich selbst mit den Künstlerpersönlichkeiten auseinandersetzen, um ihre Arbeiten nicht vorschnell in die Kategorie "Ekelkunst" einzusortieren.
Nehmen wir mal das schimmelige Brot von Dieter Roth. Wer ist oder war Dieter Roth und was sollen der Schimmel und die gammeligen Schokoladenberge?
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Dieter Roth
Selbstporträt als alter Mann, 1993
Zuckerplastik
Zucker und Lebensmittelfarbe
20 x 14 x 10 cm
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Dieter Roth (* 21. April 1930 in Hannover, † 5. Juni 1998 in Basel) gilt als Multitalent unter den Künstlern unserer Zeit, als einer der wenigen Universalkünstler, am ehesten vergleichbar mit Andy Warhol und Joseph Beuys. Er arbeitete unter anderem als Maler, Zeichner, Plastiker, Designer, Dichter, Musiker, Filmer und Installationskünstler. Als Einzelgänger und Eigenbrötler verweigerte er sich dem Kunstbetrieb. Mit anarchischer Lust sabotierte er die Hierarchie zwischen Kunst und Nichtkunst, nutzte Lebensmittel und Abfall für seine Objekte und ließ die Zeit sichtbar werden. Roths Grundimpuls war sein Verständnis von Zeit als Inbegriff und Ausdruck von Zufall, ständigem Wandel und Vergänglichkeit. Dieter Roth thematisiert die Prozesse von Wandel und Vergehen, er sah das Leben als einen kontinuierlichen Prozess, der jeden Tag neu anfängt: Ein permanentes Vergehen und Werden, für die das Angefangene, das Unfertige, das Unvollkommene und das Vergängliche steht. Genauso wie die Lebensmittel, die Dieter Roth für seine Kunst entdeckte. Das alltägliche Leben in allen seinen Stadien und Ausdrucksformen, Höhen und Tiefen, sind Dieter Roths Hauptthemen, unabhängig davon, welcher künstlerischer Mittel er sich zur Visualisierung seiner obsessiven Beschäftigung mit der Vergänglichkeit bedient. Er ist ein Ästhet des Verfalls und zeigt dessen mörderische Schönheit und Beständigkeit: weich, pelzig und malerisch wie der Schimmel, der auf dem Brot wuchert und es zum neuen Leben erweckt.
So,und jetzt noch mal flux auf 's Brot gekuckt und nachgedacht.
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Dieter Roth
Insel, 1968
Kleiner Schimmelhaufen, Brot, Küchenabfall, Draht, Nägel, Schrauben, Gips, Acryl- und Ölfarbe auf Spanplatte
9 x 35 x 30 cm
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Trotz der aufgezeigten Mängel ist oder war "Das grosse Fressen" ein sehr informativer Längsschnitt durch die Kunst der zweiten Hälfte der 20. Jahrhunderts, natürlich festgehalten in einem Katalogbuch zur Ausstellung. Und wer sich jetzt für Dieter Roth interessiert, kann einen Ausflug nach Hamburg ins Schimmelmuseum machen. Das geht übrigens auch virtuell! Schwer verdaulich für Sauberkeitsfanatiker und zum leichten Konsum nicht geeignet, denn das Verfallsdatum ist garantiert abgelaufen.
Kunsthalle Bielefeld
Arthur Ladebeck-Straße 5
33602 Bielefeld |