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Das Büro, die Toilette, der Kiosk nebenan, die Lebensmittelabteilung
im Supermarkt ohne Papier? Wohl kaum vorstellbar. Auch in Zeiten in
denen Computer, E-mail, SMS unser Leben bestimmen, umgibt uns dieser
Werkstoff auf Schritt und Tritt. Der jährliche Papierverbrauch pro Person stieg in Deutschland
zwischen 1800 und 1997 von 0,5 auf 192 Kilogramm. Der Anstieg des Papierverbrauchs
zieht sich wie ein roter Faden durch das größte deutsche
Spezialmuseum zum Thema Papier. Die liebevoll inszenierte Ausstellung
in der Papiermühle Alte Dombach zeigt die Wandlung vom Luxusgut
zum Alltagsprodukt, die Entwicklung von der handwerklichen zur industriellen
Fertigung, sowie die Folgen des Papierverbrauchs für die Umwelt.
Sie sollten schon ein wenig Zeit für dieses Museum
mitbringen, denn neben dem Mühlengebäude gibt es noch ein
weitläufiges Außengelände mit Maschinen, einen Pflanzenpfad
und die sehr sehenswerte Papiermaschinenhalle.
Schreiben, Zeichnen, Malen, Literatur und Presse, Verwaltung, Werbung,
Verpackung, Hygieneartikel, es gibt kaum einen Gegenstand, der nicht
aus Papier hergestellt werden kann.
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Theaterspielfiguren um 1880, Papierkordel, Puppenkopf
aus Pappmaschee, Aufstellkarte um 1900 |
Papier besteht aus pflanzlichen Fasern. Es wird hergestellt, indem ein
Gemisch aus Fasern und Wasser auf einem Sieb gebracht und entwässert
wird. Erst seit etwa 1850 wurde Holz zum wichtigste Faserlieferanten
der Papierindustrie.
Hadern
Bis etwa 1870 stellte man Papier aus Lumpen her, den Hadern. Geeignet
waren nur Textilien aus Pflanzenfasern. Der größte Teil der
Hadern bestand aus Leinen, das aus Flachs oder Hanf gefertigt war. Um
den Jahresbedarf von einer Schöpfbütte zu decken, brauchte
man die abgetragene Kleidung (z.B. Unterwäsche und Hemden) von
1.500 Menschen. Die erste Bearbeitung fand in der Lumpenkammer statt.
Das Zerkleinern, Sortieren und Reinigen der Lumpen war Frauen- und Kinderarbeit.
Das war nicht nur eine ziemlich übelriechende Tätigkeit, sie
verursachte auch durch den vielen Staub und Dreck oft Infektionskrankheiten
wie Milzbrand. In separaten Faulkellern ließ man die Lumpen anschließend
einige Wochen auf einem Haufen liegen. Dabei erwärmten sie sich
und bildeten Schimmel und Schleim. Der Haufen wurde ab und zu gewendet.
Der Fäulnisprozess löste Farbstoffe und Verschmutzungen und
machte die Fasern weich und mürbe, so dass sie leichter weiterzuverarbeiten
waren.
Lumpenstampfwerk und Faserstoffaufbereitung
Die älteste Maschine zur Herstellung von Faserbrei für die
Papierproduktion war das Stampfwerk. Es war das aufwendigste Gerät
in den vorindustriellen Papiermühlen und wurde von einem Mühlrad
angetrieben. Üblicherweise hatte ein Stampfwerk vier Stampflöcher,
in die nacheinander jeweils drei bis vier Hämmer fielen. Die Hämmer
zerfaserten die mit Wasser vermischten Lumpen. Durch die Abhängigkeit
von der Wasserkraft kam es bei Niedrigwasser infolge von Trockenheit
zu Produktionsausfällen. Um 1800 wurden in den Papiermühlen
sogenannte Holländer aufgestellt, in denen sich der Faserbrei schneller
bearbeiten ließ. Der Name leitet sich von ihrer Erfindung in den
Niederlanden ab. Die Holländer waren 150 Jahre lang die wichtigsten
Maschinen zum Mahlen des Papierbreis.
Schöpfen
In den Papiermühlen entstand das Papier in Handarbeit. Der Schöpfer
tauchte ein Sieb mit abnehmbarem Rand in den Papierbrei. Beim Herausnehmen
des Siebes bildete sich ein Faservlies. Der Schöpfer reichte das
Sieb an den Gautscher weiter, der das frische Papierblatt auf einem
Filztuch abdrückte. Auf das Blatt legte der Gautscher ein weiteres
Filztuch für den nächsten Arbeitsschritt. Der fertige Stapel
aus Papierbögen und Filzen wurde anschließend in einer großen
Presse entwässert.
Trocknen, Leimen, Streichen und Glätten
Das Trocknen des handgeschöpften Papiers erforderte viel Platz.
Mehrstöckige Speicher zum Aufhängen der Bögen waren charakteristisch
für Papiermühlen. Danach wurde das Papier häufig weiterbehandelt.
Durch diese Oberflächenbehandlung werden Papiere mit verschiedensten
Eigenschaften erzeugt. In den Papiermühlen tauchte man die fertigen
Bögen in Leim: Er füllt die Poren und verhindert so das Verlaufen
der Tinte. Um 1800 wurde die so genannte Masseleimung von Papier erfunden:
Der Leim wurde nun bereits dem Papierbrei zugegeben.. In den meisten
Mühlen gab es keine Maschinen zum Glätten von Papier. Die
Bögen wurden einzeln mit einem Stein oder Holz glatt gerieben.
Manchmal standen Hammerglättwerke zur Verfügung.
Das Prinzip der Papierherstellung hat sich bis heute nicht
verändert. Der Vergleich von Papiermühle und Fabrik zeigt
jedoch den tiefgreifenden Wandel im Verlauf der Industrialisierung:
In den Papiermühlen fertigte man Papier weitgehend in Handarbeit,
nur wenige Maschinen standen zur Verfügung. Ab 1840 wurde die Produktion
zunehmend mechanisiert, immer größere Maschinen übernahmen
nach und nach fast alle Arbeitsgänge.
Eigentlich ist man schon ganz schön müde von dem vielen Papier,
wenn man die Alte Dombach durchlaufen hat. Eine Besuch der Neuen Dombach
sollte man jedoch nicht versäumen, denn hier steht unter anderem
eine 40 Meter lange Papiermaschine aus dem Jahr 1889. Bis 1991 produzierte
dieses Ungetüm täglich bis zu 11 Tonnen Papier.
Rheinisches Industriemuseum
Alte Dombach
51465 Bergisch Gladbach
Telefon 02202/93668-16 und 02202/93668-0
Fax 02202 93 668 21
Öffnungszeiten
Di-So 10 bis 17 Uhr
Mo geschlossen |