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Design spiegelt kulturelle und wirtschaftliche Verhältnisse wider
und so fällt auch die
erste Blütezeit der Jukebox in die Zeit der wirtschaftlichen Erholung
der USA, nach dem Börsenkrach von 1929. Die Versorgung der ländliche
Regionen mit Elektrizität, der Abbau der Prohibition und die wirtschaftliche
Wiederbelebung ließen Bars, Nachtclubs und Restaurants florieren
und bildeten einen gewaltigen Absatzmarkt für Musikboxen.
Mills, Seeburg und Wurlitzer, die größten Hersteller von
Jukeboxen, stellten eigentlich mechanische Musikinstrumente mit Holzgehäuse
her. Und so glichen die ersten
Musikboxen auch eher dunklen biederen Wohnzimmerschränken. Mitte
der 1930er Jahre
lösten sich die Hersteller von dieser Optik. Man verwendete hellere
Furniere, orientierte sich stilistisch an Art Déco und Streamline,
so daß die Boxen mehr und mehr ihr
biederes Aussehen verloren.
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Rock-Ola, Modell A/Regular
1935
Rock-Ola Manufacturing Corporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
124 x 75 x 50 cm
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Wurlitzer, Modell P-12
1935
Rudolph Wurlitzer Company, North Tonowanda, New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
124 x 84 x 58 cm
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Art Déco war in Europa der 1920er Jahre als
ein zeitgemäßer Decorstil entstanden,
dem ein zugrundeliegendes Stilmerkmal oder eine stilbildende Anschauung
fehlte. Es
war eine inmitten des allgemeinen Aufbruchs der "Klassischen Moderne"
gestalterische Verbindung von Eleganz der Form, Kostbarkeit des Materials
und Intensität der Farben. Alles das war schon im Jugendstil angelegt
- vor allem im französischen, wo man im Überflüssigen
das Notwendige sah.
Streamline dagegen war eine typisch amerikanische Stilrichtung.
Für die amerikanischen Industriedesigner der 1930er Jahre war die
Stromlinienform das visuelle Symbol für die neue, am Fortschrittsglauben
orientierte Industriekultur.
Diese Stilrichtung ist untrennbar mit den sozialökonomischen Mechanismen
der Massenproduktion und des Massenkonsums in den Jahren 1930 bis 1955
verbunden,
einer Zeit, in der Jahr für Jahr neue Modelle auf den Markt gebracht
wurden, um den Konsumenten anzuspornen, auf dem glorreichen Weg des
Fortschritt das alte Modell
gegen das neue auszutauschen. Schnell wechselnde Stylingeffekte standen
in keinem Verhältnis zur technischen Qualität der Produkte,
und so wird dieser Stil auch als die Kunstform des industriellen Kapitalismus
betrachtet. Seine Kennzeichen sind chromglänzende, stark abgerundete
und geschlossene Formen sowie horizontale Linien,
um den Eindruck der Bewegung zu verstärken.
Der Einfluß des Art Déco machte die Musikboxen zwar eleganter
und dekorativer, doch boten sie keinen visuellen Unterhaltungswert.
Das änderte sich 1938. Die Idee der aus neuartigen Phenolkunstharz
Catalin hergestellte lichtdurchlässigen, farbigen, von innen beleuchteten
Kunststoffblenden wurde von den drei großen Jukeboxherstellern
aufgegriffen und prägte das Erscheinungsbild der Jukebox bis in
die 1950er Jahre. Typische Elemente mit Innenbeleuchtung waren die Kunststoffrundungen
an den Gehäuseecken, Pilaster an der Gerätefront und bei Seeburg
auch die obere Abschlußkuppel.
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Bussoz, Phonolux
1938
Bussoz Frères, Paris (F)
Münzung: 20 Francs
137 x 83 x 67 cm
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Wurlitzer, Modell 600
1938
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
136 x 78 x 62 cm |
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Seeburg, Symphonola Classic
1939
J.P. Seeburg Cooporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
142 x 91 x 63,5 cm |
Der weichen, warmen, oft golden schimmernden Lichttönung
der Boxen der Jahre 1938-1948 verdankt diese erste Blütezeit der
Musikboxen ihren Namen.
Keine Jukebox verkörpert die Gestaltungsprinzipien des Amerikanischen
Art Déco so vollkommen wie die Mills "Empress".
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Mills, Empress
1939
Mills Novelty Company,
Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
147 x 88 x 65 cm
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Die Musikboxen boten nun auch einen eigenständigen
optischen Unterhaltungswert.
Paul Fuller, Chefdesigner bei Wurlitzer steigerte die optischen Effekte
noch durch den Einbau rotierender farbiger Zylinder, Aufmerksamkeit
auf sich ziehende Flackereffekte und verwendete bei dem Modell 800 auch
zum ersten Mal sprudelnde Luftbläschen, die "Bubbletubes".
Fuller griff beim diesem Modell die Leuchtkuppel des Seeburg Modells
Symhonola Classic auf, gestaltete sie jedoch nicht kastenförmig
flach, sondern in einem beleuchteten Segmentbogen. Der Segmetbogenabschluss
begründete jene Tanksäulenkontur, auf die der Hersteller Rock-Ola
noch in den späten 1940er Jahren zurückgriff.
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Wurlitzer,
Modell 800
1940
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
155 x 94 x 72 cm
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Wurlitzer, Modell 750
1941
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
142 x 80 x 66 cm |
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Rock-Ola,Modell 1422
1946
Rock-Ola Manufacturing Corporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
148 x 75 x 67 cm |
Zu Fullers typischer Handschrift gehörte neben der Verwendung von
beleuchteten,
damals noch hochaktuellen Kunststoffteilen auch der unbekümmerte
Rückgriff auf die verschiedendsten Stilrichtungen von der Romantik
bis zum Streamline.
Beim 1941 herausgebrachten Modell 850, nach dem zentralen Ziermotiv
oft als "Peacock" bezeichnet, vereinte Fuller alle bis dahin
bekannten Schaueffekte.
Die wohl extravaganteste Jukebox der Vorkriegszeit faszinierte das Publikum
durch ein,
in die Konturen eines Wappenschildes gefasstes Pfauenpaar, das durch
zwei langsam rotierende Polfilter in wechselnden Farbschattierungen
getaucht wurde.
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Wurlitzer, Modell 850
1941
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
166 x 95 x 70 cm |
Die Rundbogenkontur wurde durch dem Rokoko entlehnte Girlanden aus vernickeltem
Spritzguss aufgelockert. Aus dem gleichen Material war auch das aufwendige
Jugendstil-Rankwerk des Grillgitters, in dessen Blütenkelchen zwei
überraschend dezent dimensionierte "Bubbeltubes" sprudelten.
Der Höhenflug der Jukeboxbranche wurde im Dezember 1941 durch den
Eintritt der USA in den zweiten Weltkriegs unterbrochen. Die großen
Hersteller AMI, Wurlitzer und Miller stellten ihre Produktion um. Aus
den kleinen, fast familiären Betrieben wurden große Belegschaften,
die rund um die Uhr Rüstungsgüter produzierten. Wurlitzer
machte noch zusätzlich Werbung für die amerikanische Kriegsführung.
Seeburger bemühte sich um anspruchsvolle Rüstungsaufträge,
was später entscheidend zur der technologischen Spitzenstellung
dieses Unternehmens beitragen sollte.
Wurlitzers Nachkriegsmodell 1015 spiegelte noch ganz das Stilempfinden
der frühen 1940er Jahre wider. Nicht so üppig in der Ausstattung
wie das Vorgängermodell zeigte es doch verspielte Details, stilistisch
ein Mischung aus Barock, Rokoko und Streamline. In den Pilastern drehten
sich mehrfarbige Leuchtstoffröhren und tauchten die Musikbox in
weiche, ständig wechselnde Regenbogenfarben. Mit 60.000 Exemplaren
wurde dieses Modell die erfolgreichste Musikbox aller Zeiten.
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Wurlitzer, Modell 1015
1947
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
152 x 85 x 65 cm |
Auch die anderen großen Hersteller der Branche kamen mit neue
Modellen auf den zunächst noch vielversprechenden Nachkriegsmarkt.
Rock-Ola und Seeburg jedoch ohne größere Änderungen
und mit durchaus konventionellen Baumustern.
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Rock-Ola, Modell 1428
1948
Rock-Ola Manufacturing Corporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
150 x 75 x 67 cm
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Seeburg, Symphonola 147
1947
J.P. Seeburg Cooporation, Chicago, Illinois (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
143 x 90 x 90 cm |
Anders bei AMI. 1946 entwarf der Industriedesigner Jean Otis Reinecke
mit dem Modell A eine 183 cm hohe, sehr wuchtige, mit Plastik überfrachtete
und erkennbar preiswerten Juwelenimitationen ausgestattete Musikbox,
die als "Mother of Plastic" in die Geschichte der Jukebox
einging. Zur Klangverbesserung lagen die Lautsprecher im oberen Teil
des Gehäuses. Die Plastikwülste waren erstmals aus Acryl gefertigt
und von Leuchtstoffröhren illuminiert. In den Nachfolgemodellen
verschwanden die Lautsprecher jedoch aufgrund des ungünstigen Formates
wieder an den akustisch nicht optimalen Platz, in den Sockel der Box.
Dezentere Beschläge und die klaren Formen des Streamline glichen
wieder dem Gestaltungsprinzip der Vorkriegszeit.
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AMI, Modell A
1946
Automatic Music Instrument
Company,
Grand Rapids, Michigan (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
183 x 93 x 70 cm
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AMI, Modell
B
1948
Automatic Music Instrument Company,
Grand Rapids, Michigan (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
168 x 84 x 61 cm |
Das Nachfolgemodell von AMI, das Modell C, wie auch das Modell 1100
von Wurlitzer wiesen nicht mehr die typischen Merkmale der Jukebox des
"Golden Age" auf, sondern stellten eine bedeutende Mittelstellung
zum "Silver Age" dar.
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Wurlitzer, Modell 1100
1948
Rudolph Wurlitzer Company,
North Tonowanda,
New York (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
146 x 78 x 65 cm
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AMI, Modell
C
1949
Automatic Music Instrument Company,
Grand Rapids, Michigan (USA)
Münzung: 5/10/25 Cent
170 x 85 x 65 cm |
Das Modell 1100 war Fullers eigentlich erste und zugleich
letzte Nachkriegsschöpfung. Die oberen Bögen liefen jetzt
spitz zu. Diesmal war es jedoch nicht ein Rückgriff auf gotische
Elemente, sondern zusammen mit der großen Glaskuppel über
den Wechselmechanismus eine Anlehnung an die verglaste Rumpfnase eines
B-17-Bombers aus dem 2. Weltkrieg, ein Überbleibsel der Kriegsbegeisterung
der vergangenen Jahre. Chrombügel und mächtige Chromwülste
um die Bedienungselemente zeigten Parallelen zur Automobilindustrie
und nahmen das "Techno-Design" der 1950er Jahre vorweg.
Paul Fuller stieg 1948 bei Wurlitzer aus und starb bereits 3 Jahre später
im Alter von
nur 54 Jahren.
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