|
Neben allen stylistischen Elementen der Jukebox des "Silver
Age" spielt natürlich die Musik eine wichtige Rolle und
da ging es in den 50iger Jahren richtig zur Sache.
Kulturelle Leere, soziale Starre, Konservatismus, Konformitäts-
und Leistungsdruck innerhalb des amerikanischen Bildungssystems waren
der Hintergrund für ein Jugendbewegung, die alles wollten, nur
eines nicht: So werden wie die Eltern!
Das Radio schaffte, was massive Rassenschranken eifrig verhindert hatte.
Der afroamerikanische Slangausdruck "Rock and Roll" (Rollen
und wiegen) wird zum Etikett der verschiedenen Musikformen des Rhythm
& Blues der Afroamerikaner, eine Nachkriegsentwicklung des städtischen
Blues-Idioms und die Country Music aus dem ländlichen Süden.
Fats Dominos "The Fat Man" gehörte 1950 zu den ersten
Platten des Rhythm & Blues, die sowohl schwarze als auch weiße
Käufer fanden.
Rock'n and Roll wurde zum Lebensgefühl einer jungen Generation,
deren Wertevorstellung sich so gar nicht mit den moralischen Anspruch
der Eltern und der Schule deckten. Konservative Kräfte, besonders
die weißen Frauenvereine in den Südstaaten, nahmen Anstoß
am schwarzen Ursprung der Musik und riefen zum Boykott. Beim sponsorenabhängigen
Rundfunk konnten sie sich weitgehend durchsetzen, die Aufsteller von
Musikboxen beugten sich dem Kreuzzug der Anstandskontrolleure meistens
nicht. Vielmehr wurde die Jukebox nun zu einem bedeutenden Kristallisationskern
der Rock'n Roll Szene und trug dazu bei, eine von Vorurteilen geprägte
Geschmackszensur zu unterlaufen.
Chronologie zur Rock- und Popmusik
1952
Mai: In Los Angeles gibt der Dolphin Record Store bekannt, daß
40 Prozent des Umsatzes bei Rhythm & Blues-Platten auf weiße
Jugendliche zurückgehen. Unter den von ihnen am häufigsten
gekauften Platten sind:
Fats Domino: The Fat Man (1950);
Lloyd Price: Lawdy Miss Clawdy (1952);
Joe Turner: Sweet Sixteen (1952).
1953
Juni
Radio-Discjockey
Alan Freed benennt seine wöchentliche Sendung »Record Rendezvous«
an der Station WJW in Cleveland, Ohio, in »The Moondog Rock And
Roll House Party« um und spezialisiert sie auf
Rhythm & Blues-Platten.
August
Rock Around the Clock, geschrieben von dem Autorenteam Jimmy DeKnight
und Max C. Freedman erscheint zum ersten Mal mit Sonny Dae And His Knights
auf dem kleinen, in Philadelphia beheimateten Label Arcade; der Song
kommt über einen bescheidenen Lokalerfolg nicht hinaus, inspiriert
jedoch Bill Haley im Jahr darauf zu einer Nachproduktion, die zu einem
der großen Erfolge des Rock'n'Roll werden soll.
1954
Januar
Alan Freed wechselt an die New Yorker Radio-Station WINS, wo sein Programm
angesichts der inzwischen erreichten Popularität landesweit ausgestrahlt
wird.
April
Bill Haley spielt mit seinen Comets in Manhattans »Pythian Temple«
Rock Around the Clock ein.
Mai
Rock Around the Clock erscheint in Bill Haleys Version auf Decca, wird
zunächst jedoch nur ein mäßiger Erfolg.
Juli Elvis Presley spielt für das Sun-Label des Memphis Recording
Service That's All Right (Mama) und Blue Moon of Kentucky ein.
1955
Februar
Richard Brooks' Film »The Blackboard Jungle« (dt. »Die
Saat der Gewalt«), dessen Soundtrack Rock Around the Clock enthält,
kommt in die amerikanischen Kinos;
mit diesem Film geht der Rock'n'Roll um die Welt.
Unter der Überschrift »Eine Warnung an das Musikgeschäft«
beginnt die damals wichtige Branchenzeitschrift »Variety«
eine Kampagne gegen den Rock'n'Roll; die auf moralischen Argumenten
aufgebaute Attacke versucht die Interessen der großen Musikverlage
gegen
die immer unabhängiger agierenden Plattenfirmen zu verteidigen,
die mit dem Rock'n'Roll einen Markt gefunden hatten, der des Notendrucks
nicht mehr bedurfte.
April
Bill Haleys Rock Around the Clock wird ein zweites Mal auf den Markt
gebracht; am 9. Juli erreicht die Platte Platz 1 der »Billboard«-Popcharts.
Mai
Nicholas Rays »Rebel Without a Cause« (dt. »Denn sie
wissen nicht was sie tun«) mit James Dean in der Hauptrolle erscheint;
der Film liefert eine publikumswirksame Schilderung der Welt der Teenager
vor dem Hintergrund der Rock'n'Roll-Begeisterung; er wird zum »Kultfilm«
und in der Öffentlichkeit der USA zum Anlaß zu einer heftigen
Diskussion über das »Teenager-Problem«.
Juli
Chuck Berrys Maybellene erscheint auf Chess und erreicht als erste Produktion
eines farbigen Musikers die Billboard-Popcharts (Platz 5).
November
RCA Victor übernimmt Elvis Presley von Sun; die Ablösesumme
hat die für damalige Verhältnisse enorme Höhe von 35
000 Dollar.
Dezember
Little Richards Tutti Frutti gerät als zweiter Song eines schwarzen
Musikers in die Billboard-Popcharts (Platz 21).
1956
Januar
Auf dem Sun-Label in Memphis erscheint Carl Perkins' Blue Suede Shoes,
womit das Label einem weiteren wichtigen Vertreter des Rock'n'Roll den
Weg ebnete.
Februar
Elvis Presleys Heartbreak Hotel erscheint und erreicht als erste Platte
im amerikanischen Musikgeschäft eine Plazierung in drei Kategorien
der Charts zur gleichen Zeit (Pop, Rhythm & Blues, Country &
Western).
April
Fats Domino setzt sich mit I'm In Love Again auf dem weißen Popmusik-Markt
durch (Platz 5 der Billboard-Popcharts).
Juli
Elvis Presleys Version von Hound Dog (zuerst 1953 mit der Bluessängerin
Willie Mae Thornton veröffentlicht) erscheint und erreicht Platz
1 in allen drei Kategorien der damaligen Charts (Pop, Rhythm & Blues,
Country & Western).
Dick Clark übernimmt die Moderation der Fernsehsendung »Bandstand«
bei Philadelphias Fernsehstation WFIL-TV — ein Programm, das im
Studio tanzende Teenager zu den lippensynchron dargebotenen Schallplattenhits
der Woche präsentiert —; er macht es zum wichtigsten wöchentlichen
Fernsehereignis der amerikanischen Popmusik; über dreißig
Jahre prägt er den Stil dieser Sendung und wird dabei zu einem
der mächtigsten Männer innerhalb der amerikanischen Musikindustrie.
Oktober
In Großbritannien erscheint Tommy Steeles Rock With the Caveman,
von der Musikpresse als »britische Antwort auf Elvis« gefeiert.
1957
Mai
Pat Boones Love Letters In the Sand erscheint auf Dot, eine 1931 von
J. Fred Coots geschriebene Tin Pan Alley-Ballade, die Reaktion von Musikpresse
und Industrie ist durch den deutlichen Versuch gekennzeichnet, mit einer
Alterntaive zum Rock'n'Roll wieder aus den Schlagzeilen zu kommen.
Juni
Auf dem Sun-Label in Memphis erscheint Jerry Lee Lewis' Whole Lotta
Shakin' Going On; nochmals vermochte das Label damit einem erfolgreichen
Newcomer des Rock'n'Roll den Weg zu ebnen.
Juli Paul Ankas Diana erscheint auf ABC-Paramount; ein weiterer Versuch
der Industrie, ein Teenager-ldol zu schaffen, das auch von den Eltern
akzeptiert werden kann, um das Musikgeschäft wieder in ruhigere
Bahnen zu lenken.
August
ABC-TV Network übernimmt das »Bandstand«-Programm Dick
Clarks und strahlt es über 67 Fernsehstationen als »American
Bandstand« landesweit aus; eine amerikanische Kulturinstitution
von kaum zu überschätzender Bedeutung war entstanden. Mit
wöchentlich über 20 Millionen Zuschauern und den Auftritten
von mehr als 10 000 Gruppen und Musikern im Verlauf seiner nun schon
über dreißigjährigen Geschichte hat diese Sendung die
Popmusikentwicklung entscheidend geprägt.
1958
August
Cliff Richards Move It erscheint auf dem Columbia-Label des EMI-Konzerns
in Großbritannien; eine weitere »britische Antwort auf Elvis«.
Oktober
Tom Dooley, eine alte englisch-irische Ballade, erscheint in einer Version
des Kingston Trio auf Capitol; der Song wird zum Hit und damit zum Auslöser
der Folk-Music-Welle in den USA.
1959
Der amerikanische Kongreß setzt unter Druck der Verleger- und
Autorenorganisation ASCAP (American Society for Composers, Authors and
Publishers) einen Untersuchungsauschuß ein, der Verbindungen zwischen
dem Musikgeschäft und dem organisierten Verbrechen hinter dem Rock'n'Roll
aufdecken soll; der Payola-Skandal beginnt (Payola = pay for airplay),
da der Untersuchungsausschuß die Praxis der Bezahlung von Discjockeys
durch die Plattenfirmen für das verkaufsfördernde Abspiel
von Platten im Rundfunk aufdeckt.
Juli
Auf Initiative des Musikers Pete Seeger findet in Newport, Rhode Island,
das erste Newport Folk Festival statt, das bis 1970 zum jährlichen
Forum der Folk-Music-Bewegung in den USA wird.
November
Alan Freed wird in Zusammenhang mit dem Payola-Skandal entlassen, 1960
erfolgt seine Verhaftung unter der Anklage passiver Bestechung, 1962
die Verurteilung auf Bewährung; er arbeitete noch einige Jahre
bei verschiedenen lokalen Rundfunkstationen in Kalifomien, bis er 1965
als gebrochener Mann und hochverschuldet stirbt.
(Quelle P.Wicke, Vom Umgang mit der Popmusik, (Volk
u. Wissen) Berlin 1993, 97-108, © Verlag u. Autor)
Mehr zum Thema in den Rubriken Bücher
und Internet. |